Engadiner Nusstorte • Die Erdbeere

Engadiner Nusstorte

Da es herbstelt, der Moment der Nussernte endlich gekommen ist und ich gerade mal wieder vom Karamell-Fieber (so lässt  man sich vom Schokoholismus gerne therapieren, will ich meinen! ) erfasst worden bin, habe ich ein Rezept aus meinen tausend Zettelchen herausgesucht.

Die Engadiner Nusstorte.

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Als ich vor vielen, aber wirklich vielen Jahren zum ersten Mal eine solche Torte gegessen habe, war ich ganz euphorisch (was unter Umständen am doch etwas, sagen wir überdurchschnittlich hohen Zuckergehalts gelegen sein mag). Es war ein Mitbringsel von meinem immer-reisenden Vater, diesmal aus der Heimat seiner Kindheit, der ‘gelobten’ Schweiz!

Meine Mutter hatte sogar das Etikett ausgeschnitten und in eines unserer Kochbücher gelegt!

Wir in Wien lieben/kennen/fabrizieren ja tendenziell eher die Schlagobers-Zuckerrosen-Schokoguss-Buttercreme-Punschglasur-Kreationen, die die Monarchie hervorgebracht hat , die einen Kühlschrank zum Lagern brauchen und am besten sofort zu verzehren sind, weil sie nur frisch gut schmecken.

Diese Engadiner Torte, einfach in ihrer puristischen Form, kompakt, traditionsreich, gehaltvoll kommt ohne all das aus, Nüsse, Zucker, Honig und Rahm sind ihre Eckpfeiler.

Sie möchte nur kühl und trocken, aber keinesfalls im Kühlschrank gelagert werden.

Da das Engadin, eine bezaubernde Gegend, jedoch im Winter einer der Kältepole Mitteleuropas, Jahrhunderte lang erstens schwer zugänglich und zweitens bitterarm gewesen war, gingen viele seiner Söhne Richtung Süden, Richtung ein besseres, weniger entbehrungsreiches Leben, vor allem nach Italien, England, Amerika und es wurde so etwas wie eine Graubündner Tradition, in der neuen Heimat ins Zuckerbäcker-Gewerbe einzusteigen.

(Nebenbei erwähnt gibt es in Palermo eine  sogenannte ‘Pasticceria Svizzera’, die natürlich total italienisch ist, aber noch immer den Ruf hat, eine der besten der Stadt zu sein. Auch sie wurde von einem dieser jungen, tatkräftigen Schweizer Emigranten mit dem drolligen Namen Caflisch im 19. Jahrhundert gegründet…

Manche gingen aber auch in die Hotellerie und der berühmteste unter ihnen ist sicherlich ein gewisser César Ritz, anfangs noch Schuhputzer, Träger, dann schon Zimmerkellner.

Doch seine Karriere ging steil aufwärts. Die nächsten Stationen waren schon bei den besten Adressen:  Wien, Paris, Palermo, Côte d’Azur , London, Direktor des Hotel Kulm auf der Rigi.

Wie es danach weiterging, davon zeugen die prachtvollen Ritz-Hotels an der Place Vendôme Nummer 15, in London und in Madrid.

Niemand geringerer als Rainer Maria Rilke, auch Friedrich Nietsche verweilten in Maloja im Oberengadin, dem Nachbarort von St.Moritz und hielten die umwerfende Schönheit dieser Gegend in Gedichten und Essays fest, die weiss-glänzenden Gletscher, die imposanten Dreitausender, das gleissende Licht auf den Hochebenen, die kristallene Luft, die unendliche Stille der unberührten Natur, die grauen hochaufragenden Granit-Felswände, der Geruch der Föhren und Tannen wurden ihnen zu unerschöpflichen, ja unfassbaren Inspirationsquellen.

Der Maler Giovanni Segantini zog am Ende seines Lebens ebenfalls nach Maloja. Dort entstanden die berühmten Hochgebirgslandschaften, an die wir bei seinem Namen sofort denken. Ihm ist das Segantini-Museum in St. Moritz gewidmet worden.

Aber ich schweife ab, wie es mir, wohl nicht zum letzten Mal, immer wieder passiert!

So gingen also diese jungen, wagemutigen Engadiner seit dem 18. Jahrhundert in die weite Welt, vergassen aber ihre Heimat und nicht, und irgendwann, irgendwie , irgendwo entstand die Engadiner, auch Graubündner Nusstorte genannt.

In allen Gegenden, wo Mangel herrscht, sind die Einwohner gewitzt und findig und entwickeln seit jeher Methoden, um Rohstoffe, die nicht immer verfügbar sind (Butter, Rahm nur im Sommer, Nüsse im Herbst) lange haltbar zu machen; diese Torte ist ein gutes Beispiel dafür!

Man bäckt sie am besten mindestens eine Woche vor dem geplanten Verzehr, denn sie wird mit der Zeit immer besser und hält leicht zwei Monate.

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Zutaten:

Teig:

  • 260 gr Mehl
  • 150 gr Butter
  • 80 gr Zucker
  • 60 gr gemahlene Walnüsse
  • 1 Ei
  •  Zitronenschale (optional)

Füllung:

  • 300 gr Zucker
  • 200 gr Walnusskerne
  • 200 ml Obers (Sahne)
  • 2 gute El Honig
  • 1 Eigelb zum Bestreichen

Zubereitung:

Zuerst den Teig: Mehl mit geriebenen Nüssen und Zucker mischen.

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Dann die kalte Butter in Würfelchen schneiden und einarbeiten. Das Ei zuletzt beigeben, einen glatten Teig daraus kneten (möglichst kurz kneten!).

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Kalt stellen (in einem Gefriersackerl).

Für die Füllung eine Antihaft-Pfanne nehmen. Den Zucker bei hoher Flamme schmelzen lassen.

Wenn ein durchsichtiger Karamell entstanden ist, die Nüsse dazu geben, flott umrühren und dann in einem Satz das Obers reinschütten.

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Solange kochen (Flamme zurückschalten), bis der Karamell sich aufgelöst hat und die Nüsse nicht mehr aneinander kleben.(eventuell mit einem Löffel trennen)

Beiseite stellen und etwas abkühlen lassen.

Den Ofen auf 160°C vorheizen.

Eine Form (22 cm in etwa) buttern und den Boden mit 1/3 des Teiges auslegen. Die Seitenwände mit dem 2. Drittel des Teiges auskleiden (ca. 3 cm hoch) und das letzte Drittel ausrollen und als Deckel verwenden.

 

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Eventuell mit ein bisschen Marmelade ausstreichen (siehe Tipps!).

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Die Nuss-Karamell-Masse hineingeben und glatt streichen.

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Den Teigdeckel darauf legen, mit einem Messer am Rand ‘versiegeln’.

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Mit dem verquirlten Eigelb bestreichen und mit einer Gabel ein Muster ziehen.

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Für ca. 40 Minuten in den Ofen, nach 20 Minuten die Hitze auf 180 stellen.

Die Torte soll goldgelb sein, ja nicht zu hell!

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Abkühlen lassen, aus der Form nehmen und in Alufolie verpackt kühl lagern.

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TIPPS:

1. Man kann auch eine feine Schicht Marmelade (Orangen, Heidelbeer..) auf dem ersten Teigboden verstreichen.

2. Da der Engadin vor allem von Hirschen, Gämsen, Rehen und Steinböcken besiedelt ist, ist letzterer das (offizielle?) Wappentier. Manche Bäcker machen deshalb aus einem kleinen Stücklein Teig einen Steinbock und legen ihn obenauf als Dekoration.

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Viel Spass beim Nachbacken, ich grüsse Euch herzlich mit einem ladinischen ‘Allegra!’, dem Gruss der Engadiner.

Es bedeutet soviel wie ‘Freue Dich!’  (Hab ich auch gerade dazugelernt…!)

 

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2 Comments

  1. Wilma
    September 26, 2014

    Das sieht phantastisch aus! Eigentlich muesste ich als Schweizerin im Ausland die auch mal backen. Ich werde Dein Rezept dazu nehmen!!!

    Danke
    LG Wilma

  2. Anina
    September 27, 2014

    Würde mich freuen!
    Noch dazu ist es ja fast Ehrensache, als Schweizerin diese Torte im Repertoire zu haben…!

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